Was ist und zu welchem Zweck berichte ich über Klimakultur
Für einen guten Klimakultur-Journalismus
Klimakultur ist ein Versprechen. Sie ist eine Option für die Zukunft, und wenn es besser geht, als wir derzeit annehmen müssen, dann sind wir auf dem Weg dahin. Zu einer Klimakultur, die in ihren symbolischen Prozessen und Praktiken sowohl reflektiert als auch generiert, was wir die Alternative nennen. Die Alternative zur fossilen CO2-Kultur unserer Gegenwart.
Wie die ökonomische, ökologische, politische und gesellschaftliche Alternative real aussieht, bleibt abzuwarten; sie wird das Ergebnis der größten Konflikte unserer Zeit und der nahen Zukunft sein. Allerdings bezeugen heute schon unzählige Initiativen und Trends, Aktivitäten und Personen, wie die Herausforderung Klimakrise angenommen wird – künstlerisch forschend, kreativ wissenschaftlich, aktiv widerständig.
Als Klimakultur-Journalist bin ich in diesem symbolischen Territorium unterwegs.
Klimakultur entwickelt sich bottom up in den Regionen und Kulturen. Ich nenne beides zusammen – Klimazone und Klimakultur – Climate Cultures im Plural. Als Künstlerischer Leiter von drei großen Climate Cultures Festivals in Berlin habe ich schon viele Menschen und Regionen, Theorien und Praktiken, Traditionen und Konflikte dieser Klimakulturen kennengelernt.
Ich gehe auch als Klimakultur-Journalist, der neutral über die kulturellen Aktivitäten der anderen berichtet, von einer globalen Perspektive der Erkenntnis aus. Das bedeutet vor allem erkenntnisoffen an das heranzutreten, was sich als klimakulturelles Ereignis oder Verfahren oder Projekt zeigt.
Die Stoffe sind heterogen: ein Roman der Climate Fiction, alle Texte des Climate Writing überhaupt, eine UN-Klimakonferenz, eine Öko-Kunstausstellung oder ein Nachhaltigkeitsprojekt der Freien Szene, ein Inuit Filmkollektiv in der Arktis oder eine interkulturelle Umweltinitiative in einer deutschen Großstadt, indigene Energiekämpfe in den nordamerikanischen Prärien gegen Ölkonzerne oder in Sápmi gegen einen grünen Kolonialismus, ein Klimahungerstreik vor dem Kanzleramt, die ökokritischen und klimakulturellen Trends auf den großen Kunstmessen und Bienalen dieser Welt und vieles mehr.
Gesucht sind nicht Normen und Definitionen von Klimakultur, sondern Logiken ihrer Weltbeziehung.
Klima, Krise und Kritik – Klimakultur-Journalismus
Der überkommene Kulturjournalismus beruht auf Expertise in Geschichte, Ästhetik und Praxis einzelner Sparten, er geht von der Sparte aus. Wenn Kulturjournalismus Klima „macht“, gilt also: Theater-, Film- oder Literaturkritik beurteilen eine Aufführung oder ein Werk nach den Regeln ihrer Sparte. Sie ordnen dieser Eigengesetzlichkeit die vorgefundene Thematik „Klimakrise“ zu und beurteilen sie mit Bezug auf die Kriterien ihrer Kunst.
Klimakultur-Journalismus geht umgekehrt vor, er geht vom Kontext aus. Klimakultur-Journalismus ist nicht in eine etablierte Kulturindustrie eingebettet, die ihre Existenz aus der Vergangenheit bezieht, er ist der Ritt auf der Klinge einer Kultur am Abgrund, aus der letztmögliche Chancen für die Zukunft erwachsen können – wenn wir beides, Abgrund oder Zukunft, schärfer in den Blick bekommen wollen.
Klima, Krise und Kritik, das ist die Triade des Klimakultur-Journalismus. Er spürt die politischen Symptome der Klimakrise in den symbolischen Praktiken der Kulturen auf und erforscht ein Gesamtbild der Akteure, ihrer Ausdruckswelt und Wirkungsmöglichkeit.
Klimakultur-Journalismus heißt also: Expertise im Geflecht der Klimadiskurse, in dem sich die Eigenlogik der Kunst zur Logik globaler Beziehungen wandelt. Diese Expertise ist im Entstehen begriffen, sie folgt der Empirie der Climate Cultures bottom up.
Warum ich Klimakultur-Journalismus definiere
Ich bin seit langem im Arbeitsfeld Klimakultur aktiv, als Kritiker, Autor, Kurator. Ich finde meine Welt in einer globalen Krisendynamik und suche die entsprechende Kulturkritik.
Ich behaupte: Klimawandel = Kulturwandel. Es folgt: Kulturkritik = Klimakulturkritik.
Wenn Kultur in ihrem materiellen, ideellen und symbolischen Sinn die kollektive Anstrengung zur Ordnung der menschlichen Dinge ist, dann ist Klimakultur die kollektive Anstrengung zur Ordnung der planetarischen Dinge.
Ich meine, der Klimakultur-Journalismus muss den planetarischen Weg begleiten.
Unser in Sparten organisierter Kulturbetrieb ist mit der Klimakrise überfordert. Er kann eine permanent spartenübergreifende Klimakultur nicht transzendieren.
Auch Klimakultur ist keine Sparte. Klimakultur ist vielschichtig und offen, sie fordert ein vielschichtiges und offenes Denken und bedarf globaler Theorie, lokaler Praxis und eines differenzierten Journalismus.
Dieser diffferenzierte Journalismus begleitet zum einen die ökonomisch-ökologischen Prozesse, das ist klimapolitische Kritik als Motiv des Klimajournalismus.
Und zum anderen erfasst er ihre symbolische Reflexion in Kunst, Literatur und Wissenschaft, das ist klimaökologische Ästhetik als Gegenstand des Klimakultur-Journalismus.
Aufgabe des Klimakultur-Journalismus ist die Entdeckung des Neuen, der schöpferischen Ideen einer planetarischen Menschheit.